Wein und mehr
| 05. April 2018
Weintourismus im Blut
Von Pierrick Bourgault
In der Tradition seiner langen Geschichte als handelstreibende Region bietet Venetien große Mittel auf, um Weintouristen anzulocken. Selfies ausdrücklich erwünscht.
Bei Masi hat sich die Aussichtsplattform, auch Mirador genannt, zu einem beliebten Anziehungspunkt entwickelt:
Kleine Museen in vielen Weingütern
Zahlreich sind Weingüter, die ein Museum haben und die auf großen Karten ihre Parzellen und Rebsorten darstellen. Im Zeni Wine Museum in Bardolino entdecken die Besucher zuallererst alte Landini-Traktoren, Pferdekarren und -pflüge, schöne alte Holzfässer und alte Pressen. In den Innenräumen geht es an der unvermeidlichen Kartendarstellung des Gutes vorbei zu Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Familie, Bütten, alten Waagen und sogar zu einer Sammlung von Messingbeschlägen. Die Inszenierung des Museums der Villa Canestrari in Illasi, in der Nähe von Verona, ist etwas ausgefeilter. Verschiedene Einrichtungsgegenstände sind hier zusammengestellt worden, um 150 Jahre Geschichte wiederzugeben: Ein altes Direktionsbüro mit Schreibmaschine, Bilder aus jener Zeit, handgeschriebene Verzeichnisse und eine Einrichtung zum Trocknen von Trauben auf Schilfrohr. Great Wine Capitals Global Network hat ihm die Auszeichnung „Best of Wine Tourism” verliehen.
Im Museum der Genossenschaft Valpolicella Negrar erhält man erklärt, wie die Trocknung der Trauben funktioniert, um Weine aus rosinierten Beeren zu erhalten. Man lernt hier, dass die Trauben während drei Monaten an Drähten befestigt und auf Gitter aus Bambus ausgelegt werden. „Im 19. Jahrhundert gab es hier mehr als 180 Rebsorten. Die Reblaus hat einen guten Teil zerstört. Heutzutage kommen bei jeder Lese rund 50 verschiedene Sorten bei unserer Genossenschaft an”, erklärt der Führer. „Haben Sie WLAN? Das ist die erste Frage, die uns Besucher neuerdings stellen. Sie wollen über ihren Museumsbesuch in den sozialen Netzwerken erzählen”, stellen die Winzer fest. Letztere könnten sich darüber ärgern, dass diese Touristen es eiliger haben, Fotos und Videos zu posten, als ihre Weine zu probieren. Aber das Gegenteil ist der Fall – sie ermuntern sie dazu. „Wenn sie sich im Bild festhalten wollen, erachten sie den Besuch als erinnerungswürdig”, begründen sie.
Besucher-Selfies – beste Werbung für das Weingut
Der Besuch des Weingutes beinhaltet auch eine Inszenierung mit Geräuschen und Bildern im Inneren eines Gärbehälters
Sensoriell noch besser als virtuell
Während Kollegen auf Hightech und virtuelle Realität setzen, will das Weingut Zeni zum Essenziellen zurückkehren: der Fähigkeit des Weines, die Sinne zu wecken. Vor Kurzem hat das Familienunternehmen in Bardolino, gegründet 1870, einen Aromenparcours eröffnet. Dort sind Parfümbehälter in rotem Dämmerlicht, der Farbe des Valpolicella, aufgereiht. Die wahrgenommenen Aromen schreiben Besucher mit Kreide auf Tafeln. Es sind Aromen, die in den Weinen des Gutes zu finden sind. Die Tafeln sollen daran erinnern, dass man auch noch schreiben kann. Radovan Littua, der in sieben Sprachen durchs Gut führen kann, teilt seine Gäste in Teams auf, beispielsweise Frauen gegen Männer. Während des Parcours speichern die Besucher die Aromen ab und bereiten sich so spielerisch darauf vor, sie bei der Verkostung wiederzuentdecken.