Nachrichten | 04. September 2024

Landwirtschaft macht Energiewende

Von Mario Schöneberg
Cem Özdemir besichtigte Mitte Juli die Vino-PV-Anlage in Freiburg-Munzingen. Initiator Edgar Gimbel überreichte dem Bundeslandwirtschaftsminister bei diesem Anlass die erste Patenschafts-Urkunde für einen Rebstock.
Edgar Gimbel (l.) erläuterte Cem Özdemir (r.) den Nutzen der Viti-PV-Anlage.
Heute ist sie Modell- und Forschungsprojekt, doch bis zu ihrer Realisierung war es für die Photovoltaik-Anlage in einem Rebberg oberhalb der Tuniberggemeinde Munzingen ein langer, teilweise umstrittener Weg (siehe Badischer Winzer, Ausgabe Oktober 2023).
Im vergangenen Jahr konnte das gemeinsame Projekt von Initiator Edgar Gimbel und der Badenova-Wärmeplus eröffnet werden. Gekostet hat die Anlage rund eine halbe Million Euro, Unterstützung gab es von der Stadt Freiburg und vom Energiedienstleister Badenova, der 150.000 Euro Fördermittel beisteuerte und später die Anlage sogar gänzlich übernahm.
Die Reben sind mit einem Systemgestell mit 1672 lichtdurchlässigen PV-Modulen überbaut. Auf einer Fläche von 3200 m2 sollen damit im Jahr bis zu 300.000 kW Strom erzeugt werden können, was rund 120 Tonnen Kohlendioxid jährlich einspare und den Strombedarf von fast 200 Menschen decke.
Doppelter Nutzen
Von der Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche soll auch der Wein profitieren. Die Trauben seien weitgehend vor Umwelteinflüssen wie Frost, Hagel, Starkregen und Sonnenbrand geschützt und der Erntezeitpunkt werde verzögert. Ob das so  funktioniert, ermitteln in einem gemeinsamen Forschungsprojekt das Staatliche Weinbauinstitut (WBI) Freiburg und das Freiburger Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE). Miriam Kaltenbach vom WBI stellte gemeinsam mit Sebastian Gölz vom ISE  erste Erkenntnisse vor: Unter Solarmodulen werden die Blätter größer und die Rebe stärker – die Pflanze passe sich den Gegebenheiten an. Für weitere Erkenntnisse brauche es aber ein heißes, trockenes Jahr, so Kaltenbach.
Das besondere am Munzinger Projekt sei, dass es nicht um ein entweder – oder, sondern um Landwirtschaft und Energiewende Hand in Hand gehe, betonte Badenova-Vorstand Hans-Martin Hellebrand. Heutzutage sei es sinnvoll, Flächen doppelt zu nutzen, denn sie seien die Währung unserer Zeit, ergänzte Umweltbürgermeisterin Christine Buchheit.
Minister Özdemir lobte den Erfindergeist, das Durchsetzungsvermögen und die Hartnäckigkeit des Initiators. Damit habe Edgar Gimbel erreicht, dass in Munzingen ein Projekt der Energiewende umgesetzt worden sei, das nicht zu Lasten der Landwirtschaft gehe. Der Minister betonte aber auch, dass es nicht bei Modellprojekten bleiben dürfe und  viel schneller gehen müsse. Deshalb wolle er im Bundesbauministerium die schwierigen Bauvorschriften zum Thema machen. Wichtig sei aber auch, betonte Özdemir, die Menschen mitzunehmen. Für die Winzer müsse sich eine Vino-PV-Anlage am Ende lohnen.
Anlässlich seines Besuchs erhielt Cem Özdemir von Edgar Gimbel die erste Patenschaft für einen Rebstock im Versuchsfeld und damit verbunden  ein regelmäßiges Deputat an Munzinger Wein aus dieser Parzelle.