Fachliches | 04. Oktober 2023

Der Strom könnte jetzt fließen

Von Mario Schöneberg
Noch ist die Vino-Photovoltaikanlage in Freiburg-Munzingen nicht am Netz, wurde aber kürzlich ihrer Bestimmung übergeben. Zur Einweihung des Forschungsprojekts kam auch die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker.
Umweltministerin Thekla Walker durchschnitt das Band anlässlich der Anlagen-Einweihung. Es assistierten Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach, Wärmeplus-Geschäftsführer Michael Klein und Initiator Edgar Gimbel (v.l.).
Die PV-Anlage über einem Rebstück im Tuniberg oberhalb von Munzingen, ein gemeinsames Projekt von Initiator Edgar Gimbel, Inhaber der Firma Gsun, und der Badenova-Wärmeplus ermögliche laut Badenova auf unkonventionelle Weise die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Die Reben seien mit einem Systemgestell überbaut, das mit 1672 lichtdurchlässigen Photovoltaik-Modulen belegt sei. Auf einer Fläche von 3200 Quadratmetern sollen so jährlich bis zu 300.000 kW Strom erzeugt werden können, was dann etwa 120 t Kohlendioxid einspare und den Strombedarf von rund 200 Menschen decke. Auch der Wein profitiere: Die Trauben seien weitgehend vor Umwelteinflüssen wie Frost, Hagel, Starkregen und Sonnenbrand geschützt. Selbst der Erntezeitpunkt könne verzögert werden. Die neue Anlage sei ein Beitrag zur Energie- und Wärmewende, erklärt Badenova-Vorstand Werner Hölscher. Es gehe darum, Erfahrungen zu sammeln und Akzeptanz zu schaffen. Man arbeite am Ausbau der Infrastruktur, um mehr regionale Stromerzeugung zu erreichen.
Hin zur Klimaneutralität
Den Nutzen der Vino-PV-Anlage erklärte Edgar Gimbel (links) den Gästen vor Ort.
Innovative Ideen seien wichtig für das Land, um klimaneutral zu werden, betonte Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker. Besonders geeignet sei Photovoltaik auf  
sogenanten „Eh-da”-Flächen. Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach zeigte sich stolz, dass die erste Vino-PV-Anlage in der größten weinbautreibenden Großstadt Deutschlands zu finden sei. Freiburg selber wolle mithilfe seiner Partner bis 2035 klimaneutral werden.
Initiator Edgar Gimbel ging auf den langen, steinigen Weg bis zur Realisierung der Anlage ein. Sein Ziel sei es gewesen, die guten Böden am Tuniberg weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen und gleichzeitig Energie zu gewinnen. Unter den Modulen würden die Trauben durch den Schutz heute besser aussehen als im angrenzenden Rebstück. Er habe in den fast vier Jahren Projektzeit viel Kritik einstecken und Widerstände überwinden müssen, auch von Landwirten, Ortschaftsrat und Touristikern. Die Stadt Freiburg habe die Vino-PV-Anlage dann trotz Veto des Ortschaftsrats genehmigt.  Unterstützung findet Gimbel hingegen beim Badischen Weinbauverband und der Badenova, deren Tochter Wärmeplus das Projekt nun übernommen hat.
Hürden bei der Umsetzung
Ein Problem für Freiflächen-Solaranlagen ist die Einspeisung ins Stromnetz. Oft müssen lange Leitungen verlegt und Anschlussstationen gebaut werden. In Munzingen sind es 500 Meter. Zudem sind viele Stromnetze nicht auf größere Mengen Strom, die bei Sonnenschein produziert werden, ausgelegt und es gibt selten große Stromverbraucher in unmittelbarer Nähe, die sofort Energie abnehmen könnten, um damit das Netz zu entlasten. Nicht zuletzt ist der Anlagenbetreiber auf den Netzbetreiber angewiesen. Selbst bei der Pilotanlage in Munzingen konnte am sehr sonnigen Eröffnungstag kein Strom ins Netz eingespeist werden, weil laut Wärmeplus-Geschäftsführer Michael Klein noch Teile für den Schaltschrank fehlten.
Welche Auswirkungen hat der verminderte Lichteinfall? Wie kann unter der Installation  bewirtschaftet werden?  Das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg wird in den kommenden Jahren untersuchen, welche Auswirkungen eine Vino-PV-Anlage auf das Wachsen und Gedeihen von Weinreben hat und ob Solarmodule tatsächlich die Reben vor Umwelteinflüssen schützen und Pilzbefall reduzieren. Das Freiburger Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) wiederum will in den kommenden drei Jahren mit der Anlage Erkenntnisse zum  Ertrag und der Haltbarkeit der Solaranlage gewinnen.