Fachliches | 30. Oktober 2024

Sonnenstrom fließt jetzt ins Netz

Von der Redaktion
Die Photovoltaik-Anlage am Blankenhornsberg bei Ihringen wurde Ende September in Betrieb genommen. Für Zufriedenheit und Motivation sorgen die ersten Zwischenergebnisse.
Auf die Inbetriebnahme der Viti-PV-Anlage am Blankenhornsberg bei Ihringen stießen die Beteiligten freudig an.
Es sei beeindruckend zu sehen, wie viel Engagement und Teamarbeit von allen Beteiligten in dieses Projekt geflossen sind. Mit diesen Worten begrüßte Dr. Bettina Frank-Renz, Leiterin des Staatlichen Weinbauinstituts (WBI) Freiburg, rund 20 Gäste im Weingutsbetrieb in Ihringen. Alle waren zusammengekommen, um den erfolgten Netzanschluss der Viti-PV-Anlage zu feiern.
Von der Antragstellung über die Klärung rechtlicher Fragen bis zur Montage und letztendlich dem Stromanschluss sei jeder Schritt eine Herausforderung gewesen, die gemeinsam gemeistert worden sei. „Die Viti-PV-Anlage steht nicht nur für technologische Innovation, sondern auch für unser gemeinsames Ziel, nachhaltige Energiequellen zu fördern und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten sowie die Weinwirtschaft nachhaltig und zukunftsweisend zu stärken”,  bedankte sich die Direktorin bei allen Beteiligten. Ernst Weinmann, Leiter des WBI-Referats Weinbau und Resistenzzüchtung, unterstrich, wie erfreut alle seien, das Projekt nun einzuweihen.
Erste Anlage in bewirtschaftetem Weinberg
Christoph Vollmer von der Firma Intech Clean Energy, die die Anlage installierte und betreibt, zeigte sich stolz darauf, dass damit erstmals eine Agri-PV-Anlage in einen bestehenden Weinberg eingebaut wurde, und das sogar während der Vegetationszeit. Er erläuterte die technischen Details: Auf einer Fläche von 0,54 Hektar wurden am Blankenhornsberg drei unterschiedliche Photovoltaik-Systeme installiert, die nicht nur den Solarertrag maximieren, sondern auch die Pflanzenphysiologie der Reben berücksichtigen. Die Anlage mit einer Gesamtleistung von 240 kWp besteht aus einer Fix-
installation mit lichtdurchlässigen PV-Modulen und einem innovativen Tracking-System mit lichtundurchlässigen (opaken) PV-Modulen, die automatisch der Sonne nachgeführt werden. Unterschiedliche Modulgröße und Position mit jeweils anderen  Beschattungsgraden beeinflussen das Rebenwachstum.
Die Tracking-Steuerung, entwickelt von Intech, wird in Zusammenarbeit mit dem WBI über die gesamte Projektlaufzeit an die Anforderungen des Weinbaus angepasst. Dazu werden alle technischen Daten, wie der Neigungswinkel der Module, aber auch das Wachstum der Rebe, Sonnenstrahlung, Blatt- und Bodenfeuchte erfasst und für den Optimierungsprozess verwendet. „Dank der Tracking-Technologie und des Fernzugriffs können wir in Absprache mit dem Weinbauinstitut sofort auf Wetterveränderungen reagieren und so den Traubenertrag sichern”, betont Christoph Vollmer. Als besondere Herausforderung bei Viti-PV-Anlagen bezeichnete er den  Netzanschluss. „Wir hatten  noch nie eine 20-kV-Strom-
leitung in die Weinberge gelegt.”
Kosten und Nutzen
„Selbst die 400 Meter bei uns waren ein großer Aufwand. Die Kosten für den Netzanschluss können daher ein entscheidender Faktor für den Bau solcher Anlagen sein”, sagt Bettina Frank-Renz. Dennoch betont Martin Schweizer, stellvertretender Bürgermeister von Ihringen: „Diese Anlage ist ein Lichtblick und eine zusätzliche Chance für die Winzer, die Kulturlandschaft am Kaiserstuhl zu erhalten.”
Martin Linser, Leiter des Kompetenzzentrums Weinbau 4.0, bestätigte dies. Die Anlage gehöre zum „RegioWin 2030 Leuchtturmprojekt Weinbau 4.0”, zwei  weitere werden folgen. In der Branche bemerkt er ein großes Interesse an diesem Thema, da die Winzer in der möglichen Doppelnutzung ihrer Rebflächen viel Potenzial für die Zukunft erkennen. Auch aus seiner Sicht als Vizepräsident des Badischen Weinbauverbandes und des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) begrüßt er dies, zumal das Land Baden-Württemberg und die Europäische Union die Pionierarbeit finanziell fördern. „Ohne solche Hilfen wäre es nicht möglich, derartige Innovationen zielgerichtet in die Praxis zu bringen.”
Das Weinbauinstitut konnte in diesem Jahr bereits die zweite Ernte von Trauben, die unter den PV-Modulen gewachsen sind, einfahren. Die Zwischenergebnisse sind vielversprechend. So führt die Beschattung durch die PV-Module zu einer Reifeverzögerung, die den Säuregehalt der Trauben und damit die Weinqualität erhöht. Ganz klar erkennbar sind zudem die Entwicklung einer größeren Blattfläche sowie ein verstärktes Trieblängenwachstum. Unter den Modulen ist es außerdem etwas kühler, was  die Bewirtschaftung  im Sommer angenehmer macht. Mit Blick auf Spätfröste wiederum wurde  festgestellt, dass die Temperaturen unter den Modulen weniger  abfielen. Weitere Forschungsergebnisse werden derzeit vom Weinbauinstitut ausgewertet.
Die gewonnene Energie wird seit Inbetriebnahme der Viti-PV-Anlage komplett ins Netz eingespeist. Darüber hinaus wäre es auch möglich, Strom für elektrische Geräte und Maschinen vor Ort zu nutzen.