Fachliches
| 30. Juni 2016
Ein neuer Baustein für VitiMeteo
Von Gottfried Bleyer, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg
Diese Saison ist VitiMeteo (VM) – das bewährte Internetportal für Prognosemodelle, Wetter- und Monitoringdaten – um ein weiteres Modell ergänzt worden: „VitiMeteo Phänologie”. Derzeit wird das Modell an verschiedenen Standorten mit den beiden Rebsorten Müller-Thurgau und Riesling überprüft.
Die neue Software „VitiMeteo Phänologie” (VM Phenology) simuliert die phänologischen Stadien der Weinrebe entsprechend der BBCH-Skala. Die Abkürzung BBCH steht offiziell für „Biologische Bundesanstalt, Bundessortenamt und Chemische Industrie”. Die kulturspezifische Definition der BBCH-Skala für Weinreben wurde bereits im Jahr 1994 vorgestellt. Basis für das neue Modell ist der Temperatursummen-Ansatz von Molitor und anderen (2014). In die Temperatursummenbildung gehen hierbei die Tagesmitteltemperaturen sowie rebsortenspezifische untere und obere Grenzwerte ein. Mit diesen Werten werden prinzipiell Summen-Grad-Tage berechnet.
Starttermin für das Modell ist das phänologische Stadium BBCH 09: „Knospenaufbruch und grüne Triebspitze sichtbar” (siehe Bild). Dieses Stadium muss im Weinberg exakt bonitiert werden und von Hand in das Modell eingegeben werden, um die Berechnungen zu starten. Das Modell gibt es derzeit für die beiden Rebsorten Riesling und Müller-Thurgau. Die Software wurde vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg und der Agroscope (Schweiz) finanziert und von der Firma Geosens programmiert.
Praxistests in mehreren Regionen
Praxistests von „VitiMeteo Phänologie”
werden derzeit in Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz und Luxemburg
durchgeführt. Auf der Startseite von www.vitimeteo.de befinden sich
unter „VM Phänologie neu” die Modellergebnisse. Aktuell rechnet das
Programm dreimal täglich mit den Daten von 63 Wetterstationen. Die
Ergebnisse werden, wie alle VitiMeteo-Infos, kostenlos veröffentlicht.
In der ersten Übersicht sind die Resultate der Rebsorte Müller-Thurgau
für die verschiedenen Weinbaubereiche Baden-Württembergs und von
Rheinland-Pfalz dargestellt. Die Abbildung 1 zeigt beispielhaft die
unterschiedlichen phänologischen Stadien für die zwei Weinbaubereiche
Oberer Neckar und Ortenau. Auf den Balkendiagrammen sind die aktuellen
BBCH-Stadien tabellarisch mit verschiedenen Farben und Zahlen
dargestellt. Der Prognosezeitraum umfasst sieben Tage und ist grau
hinterlegt. Gut erkennbar ist der Entwicklungsvorsprung der Ortenau
gegenüber dem Oberen Neckar.
Die Hinterlegung der BBCH- Stadien im
Balkendiagramm beruht auf einer farblichen Zuordnung der
Makrostadien. Die Abbildungen 2 und 3 beschreiben die BBCH-Makro- und
Mikrostadien für die Weinrebe, die mit „VM Phänologie” ausgegeben
werden. Spezielle Hinweise zu einem Standort können entweder in der oben
erwähnten Übersichtstabelle oder durch die „Auswahl in Karte” abgerufen
werden. Für jede Wetterstation wird eine separate Grafik erzeugt, die
den Verlauf der Rebentwicklung anschaulich darstellt. Die Abbildung 4 zeigt die Situation in Freiburg vom 2. Juni bis zum 23. Juni 2016.
Eine
Ergänzung zur grafischen Darstellung bietet die Excel-Datei
„Phenology.xls”, die heruntergeladen werden kann. Sie zeigt zusätzlich
zum errechneten durchschnittlichem BBCH-Stadium eine Minus- und
Plus-Varianz (Streubreite) des Entwicklungsstadiums. Aufgrund von
kleinräumigen mikroklimatischen Unterschieden sowie statistischer
Unsicherheiten kann die Modellvorhersage von der tatsächlich
beobachteten phänologischen Entwicklung abweichen. Der Grad der
Unsicherheit kann mit fortschreitender phänologischer Entwicklung
zunehmen. Exaktere Informationen zum Aufbau des Modells enthält die
Original-Veröffentlichung von Molitor und anderen aus dem Jahr
2014.
Während der laufenden Testsaison 2016 werden am Staatlichen
Weinbauinstitut Freiburg, an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt
für Wein- und Obstbau Weinsberg, an den Dienstleistungszentren in
Rheinland-Pfalz (Neustadt, Oppenheim und Bernkastel-Kues), am Institut
Viti-Vinicole in Remich (Luxemburg) sowie an der Agroscope in Changins
und in Wädenswil (Schweiz) umfangreiche Erhebungen zur Phänologie an
verschiedenen Standorten und an verschiedenen Rebsorten durchgeführt.
Die Auswertung der Bonituren erfolgt nach der Saison, um das Modell mit
den beobachteten Stadien zu vergleichen und eventuell zu verbessern.
Mögliche Anwendungen des Phänologiemodells
Praktische Anwendungen von „VM
Phänologie” sind sowohl im Pflanzenschutz als auch im Weinbau möglich.
Für die Terminierung von weinbaulichen Arbeiten wie beispielsweise
Entblätterung, Gipfeln oder die Planung der Ernte könnte das Modell
wertvolle Unterstützung bieten. Im Pflanzenschutz sind gezielte
Bekämpfungsmaßnahmen, wie der Einsatz von Bioregulatoren in der Blüte
oder von Botrytiziden vor dem Traubenschluss, denkbare Anwendungen. Auch
für die Simulation der phänologischen Entwicklung unter zukünftigen
klimatischen Bedingungen lässt sich das Modell hervorragend nutzen.
Fazit
Diese Saison ist „VitiMeteo” um ein neues Modell, die Software „VM Phänologie”, bereichert worden. Das temperaturbasierte Modell simuliert die phänologischen Stadien der Weinrebe entsprechend der BBCH-Skala an 62 Standorten in Deutschland und an einem Standort in Luxemburg. Die Software wird in dieser Saison mit den beiden Rebsorten Müller-Thurgau und Riesling großflächig geprüft. Der Test soll Aufschluss über die Genauigkeit des Modells und seine praktische Nutzung geben. Die Ergebnisse der diesjährigen Prüfung werden bei weiteren Verbesserungen behilflich sein. Das Modell soll zukünftig um weitere Rebsorten, etwa die Burgundersorten oder den Gutedel, erweitert werden.