Fachliches | 06. Dezember 2021

Web-Seminar live vom Betrieb

Von Christian Gaus / Viktoria Lindner, LEL
Zwei Farminare hat die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) dieses Jahr veranstaltet. Was diese Form der Veranstaltung ausmacht und welche Erfahrungen die LEL mit dem neuen Format gemacht hat, schildern Christian Gaus und Viktoria Lindner.
Live-Übertragung vom Feld beim Farminar zum Thema steigender Unkrautdruck durch Klimaextreme.
Ein Farminar – zusammengesetzt ist der Ausdruck aus dem englischen Wort „farm” für „Bauernhof” und „Seminar” – ist ein Web-Seminar, das direkt live vom landwirtschaftlichen Betrieb gestreamt wird. Die Teilnehmer sind somit virtuell „direkt am Feld oder im Weinberg” dabei, während die Betriebsleitung sowie Experteninnen und Experten durch den Betrieb führen und praxisnahe Beispiele zeigen.
Im Rahmen des derzeit an der LEL laufenden Projektes „DiKliWa” (Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel in Bildung und Beratung – digital) werden  Farminare durchgeführt. Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie landwirtschaftliche Betriebe Anpassungsmaßnahmen in ihren betrieblichen Ablauf integrieren können. Die LEL beschreitet mit dem Format neue Wege im digitalen Raum und nutzt diese Veranstaltungsform als weitere Option zur Informationsvermittlung und Kommunikation. Trotz räumlicher Distanz sollen Praxisnähe und der Austausch mit den referierenden Personen garantiert werden.
Spätfröste im Weinbau Thema bei der Premiere
Beim ersten Farminar ging es um Maßnahmen gegen Spätfröste im Weinbau. Das zweite Farminar beschäftigte sich mit dem steigenden Unkrautdruck durch Klimaextreme. Nach zwei Veranstaltungen und ausgewerteten Rückmeldungen der Teilnehmer werden im Folgenden erste Ergebnisse zusammengefasst sowie Vorteile und Herausforderungen der neuen Veranstaltungsform dargestellt.
Interaktive Methoden sorgen dafür, dass sich man sich aktiv in das Farminar einbringen und so die inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltung mitgestalten kann. Es können im Farminar Diskussionspunkte über Umfragen gesetzt und die Fragen jederzeit über den Live-Chat an die Moderation gestellt werden. Im Moderationsstudio werden die eingehenden Fragen aufgenommen, gebündelt und an die Referentinnen und Referenten weitergegeben.
Für die personelle Besetzung am Drehort sind mindestens zwei Personen notwendig. Eine filmt das Geschehen vor Ort, eine weitere kann den Vortragenden Hinweise geben und bei der Ausleuchtung der Szenerie unterstützen. Im Studio führt der Moderator durch das Farminar. Eine weitere Person im Studio beobachtet den Chat, sammelt eingehende Fragen und gibt diese an die Moderation weiter.
 
Technischen Support anbieten
Insbesondere zu Beginn der Veranstaltung, während des Einwählens in die Konferenztechnik, ist es sinnvoll, einen technischen Support für die Teilnehmer anzubieten. Optional können das Kamerateam vor Ort und/oder die Moderation durch eine weitere Person unterstützt werden.
Der zeitliche Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung des ersten Farminars ist deutlich höher als bei Folgeveranstaltungen. Das technische Equipment und wichtige Dokumentvorlagen müssen nur einmal beschafft oder erstellt werden. 
Drehbuch
Austausch zwischen den Referenten vor Ort und der Moderatorin im Studio beim Spätfrost-Farminar.
Nach erfolgreicher Referentensuche sollte bei einer gemeinsamen Besprechung das Drehbuch, das heißt der Ablauf und die Inhalte, klar definiert werden. Auch ist eine Ortsbegehung zwingend notwendig, um die Umgebung kennenzulernen und die Netzabdeckung vor Ort zu testen.
Die Veröffentlichung der Videoaufnahmen in Form eines Streamings ist nur nach Einwilligung aller beteiligten Personen zulässig. Soll das Video aufgenommen und im Nachgang veröffentlicht oder weiterverarbeitet werden, ist auch hierbei die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten.
Damit ein sicheres Streaming garantiert werden kann, sollte am Drehort die Netzabdeckung mindestens 4G (LTE) betragen. Mithilfe eines mobilen LTE-Routers werden die Geräte auf dem Feld direkt mit dem Internet verbunden. Der Stream wird über ein Handy vor Ort übertragen, das in ein Online-Konferenzsystem wie zum Beispiel Webex, Zoom oder Ähnliches eingewählt ist.
Gimbal gleicht Bewegungen aus
Auf einem sogenannten Gimbal kann das Handy befestigt werden. Dieses gleicht schwungvolle Bewegungen aus, wodurch das Bild weitestgehend flüssig bleibt. Es empfiehlt sich außerdem, ein externes Mikrofon mit Windschutz einzusetzen, das die Umgebungsgeräusche abschirmt und somit für eine ansprechende Tonqualität des Livestreams sorgt.  
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten nach beiden Farminaren einen Onlinefragebogen zur Evaluierung. Nach den ersten beiden Farminaren gaben über 90 Prozent von ihnen an, dass sie das Veranstaltungsformat spannend finden und Praxisnähe trotz räumlicher Distanz geboten wurde.  
Monetäre und zeitliche Ersparnisse durch Vermeidung weiter Anfahrten ermöglichten es, große Teilnehmerzahlen für die Veranstaltungen zu gewinnen. So nahmen rund 250 landwirtschaftliche Akteure beim ersten Farminar und knapp 60 landwirtschaftliche Akteure beim zweiten Farminar teil. Die deutlich geringere Teilnehmerzahl beim zweiten Farminar kann auf die arbeitsintensive Erntezeit Ende Juli zurückgeführt werden.

Mehrere Zielgruppen wurden erreicht
Sowohl der zeitliche Ablauf als auch die Technik funktionierten bei der ersten Veranstaltung einwandfrei. Beim zweiten Farminar mussten leichte technische Komplikationen überwunden werden. Für solche kleinen Störungen ist es hilfreich, einen Plan B zu haben, beispielsweise eine Informationsseite für Interessenten.  
Eine Schlechtwetteralternative war ebenfalls eingeplant worden. Unter Umständen hätte bei der Durchführung spontan auf die Form Web-Seminar gewechselt und somit die Veranstaltung nach innen verlegt werden können.
Insgesamt erwies sich das Format Farminar als sehr gut, um eine breite Zielgruppe anzusprechen und das Vorgestellte zu visualisieren. Im Rahmen der zwei Farminar-Veranstaltungen konnten verschiedene Zielgruppen wie Bedienstete der Landwirtschaftsverwaltung, Beratungs- und Lehrkräfte sowie Studierende und interessierte Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg gut erreicht werden. Auch ist unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine ausgeglichene Altersstruktur festgestellt worden.