Fachliches | 05. Dezember 2023

Die Weichen für 2024 stellen

Von Tim Ochßner
Mit dem Rebschnitt lässt sich schon der Ertrag im nächsten Jahr beeinflussen. Hier ist Fachwissen gefragt, auch bei der Einstufung der Rebengesundheit für die kommende Saison.
Teilweise noch zur Verfügung stehende Saisonarbeitskräfte haben bereits einen Vorschnitt durchgeführt.
Nach dem schwierigen Jahr 2023 hat der Blattfall in den Anlagen erst im November eingesetzt. Im Gegensatz zum Vorjahr hat die niederschlagsreiche Witterung zwischen Lese und Blattfall nicht wirklich gute Bedingungen für die Maßnahmen zur Vorbereitung des Rebschnittes geboten. Vielerorts sind Drähte noch nicht abgelegt, einzelne Betriebe haben die noch zur Verfügung stehende Arbeitskraft dazu genutzt, Teile des Rebholzes bereits auszuscheiden. Leider ist nicht in allen Rebanlagen eine gute Holzreife festzustellen. Diese Anlagen sollten erst sehr spät geschnitten werden, wobei man auf grünes beziehungsweise nach Frost schwarzes Holz beim Schnitt achten sollte.
Nach dem Blattfall lässt sich der Erfolg im Pflanzenschutz nochmals überprüfen. Neben der beim Rebschnitt sehr relevanten Schwarzfleckenkrankheit gibt der Oidiumbefall am Rebholz Hinweise auf das Ausgangspotenzial und die Gefährdung der Rebanlage im nächsten Frühjahr. Sind deutliche Oidiumfiguren am Holz erkennbar, sollte die Gefahr als hoch eingestuft werden.
Botrytisbefall des Holzes dürfte eher relevant für die Winterfrosthärte sein. War nicht nur die Witterung Auslöser des Befalls, sollten die Laubarbeit und das Düngemanagement überprüft werden. Unterschiedliche, verkürzte Internodienabstände in gewissen Wachstumsrhythmen deuten auf einen starken Befall durch Kräusel-, Blattgallmilben und/oder Rote Spinne hin. Schon zu diesem Zeitpunkt sollten die Anlagen auch sanitär begutachtet werden. Stark befallene Maukestöcke müssen aus den Anlagen entfernt werden, genauso wie abgestorbenen Esca-Stöcke. Stöcke, die wieder austreiben, sollten deutlich sichtbar markiert und im nächsten Jahr intensiv beobachtet werden. Auch die Holzreife der Reben lässt sich zu diesem Zeitpunkt sehr gut bestimmen. Grünes Holz bei Frostbeginn verheißt nichts Gutes.
Der Rebschnitt als erste Qualitätsmaßnahme
Jungfelder sollten zum Frostschutz angehäufelt werden. Bei Hochstammreben macht dies jedoch keinen Sinn.
Nachdem nun zwei Jahre ohne Spätfrostschaden vergangen sind, muss abgewogen werden, ob Frostruten als „Backup” belassen werden. Prinzipiell spricht in frostgefährdeten Anlagen einiges für diese Vorgehensweise. Allerdings ist die zusätzliche Arbeitszeit nicht unerheblich. Dennoch ist dieses Verfahren zur Verringerung der Spätfrostgefahr von allen Möglichkeiten derzeit die am ehesten zu realisierende Maßnahme. Hubschraubereinsätze, Paraffinkerzen oder Überkronenberegnungen sind finanziell und organisatorisch wesentlich aufwendiger. Bringt das Jahr 2024 keine Frostschäden, sollten die Frostruten spätestens nach den Eisheiligen entfernt werden.
Die ersten Weichen für den Ertrag im nächsten Jahr werden mit dem Rebschnitt gestellt. Denn mit der Anzahl angeschnittener Augen pro Quadratmeter wird der potenzielle Ertrag festgelegt. Als Beispiel könnte man mit der Anschnittempfehlung 4 Augen/m² bei Müller-Thurgau und durchschnittlich 2 Trauben pro Trieb mit 250 g Endgewicht einen zu erwartenden Ertrag von 20.000 kg/ha errechnen. Schneidet man also eine Müller-Thurgau-Anlage mit einer Gassenbreite von 2 m und einem Stockabstand von 1 m mit 8 Augen pro Stock und alles läuft normal, so hat man sich bereits in diesem frühen Stadium ertragskorrigierende Maßnahmen arbeitstechnisch besorgt.
In Normaljahren ist es wichtig, beim Rebschnitt auf eine gesunde Auslastung des Stockes zu achten. Deshalb gilt bei nicht frostgeschädigten Anlagen der Grundsatz: Nur so viele Augen anschneiden, wie im aktuellen Jahr ausgereift sind. Hier muss der Winzer zwischen der aus der berechneten Augenanzahl resultierenden, theoretischen Anzahl von Augen pro Stock und der Stocksituation abwägen. Zeigte der Stock bei korrektem Anschnitt im Vorjahr schlechten Wuchs und wenige ausgereifte Ruten, so sollte er in diesem Jahr durch geringeren Anschnitt entlastet werden. Hier gilt: Stockerhaltung vor Ertrag.
Die Fruchtruten sind idealerweise wund- und krankheitsfrei sowie bleistiftdick mit ausreichender Internodienlänge von etwa 10 cm. Sortenabhängig unterschiedlich sind die fruchtbarsten Ruten auf zweijährigem Holz zu finden. Grundsätzlich muss der diesjährige Rebschnitt bereits den Rebschnitt für das Folgejahr bedenken. Nur so ist ein möglichst wundfreier Schnitt auf lange Sicht möglich. Schwerpunkt ist hier, den Stockaufbau nach oben zu verhindern. Deshalb sollten Zapfen für das Ersatzholz mit Bedacht gewählt werden, sie sollten tiefer als das Ersatzholz stehen. Zudem sollten sie auf ein sichtbares Auge geschnitten werden (Ausnahme beim sanften Rebschnitt).
Rebschnitt ist Profi-Sache
Die Rebe kann Wunden nicht aktiv verschließen. Sie reagiert auf eine Verletzung, indem die obersten Zellschichten eintrocknen. Deshalb sollte der Rebschnitt eine gerade Saftführung gewährleisten. Um zu verhindern, dass die Saftleitungsbahnen eintrocknen, wird im Weinbau mit einem „Sicherheitsabstand” geschnitten – nicht wie im Obstbau auf Astring. Auch das Ausheben, also das Entfernen des abgeschnittenen Holzes, sollte sorgfältig durchgeführt werden, damit die ausgewählten Fruchtruten nicht verletzt werden. Aus Qualitätsgründen ist das Abschneiden der Geiztriebe und Ranken auf den Ruten sinnvoll, kann aber aus arbeitswirtschaftlichen Gründen auf die Geize beschränkt werden.
Da beim Rebschnitt auf viele verschiedene Dinge geachtet werden muss, kann dieser nur von fachkundigen Winzerinnen und Winzern richtig durchgeführt werden. Große Betriebe schneiden nur den Stock und lassen Aushilfskräfte ausheben. Elektroscheren und pneumatische Schneidanlagen bringen für größere Betriebe Entlastungen, weil sie die Hand schonen. Der Schnitt mit diesen Geräten ist nur unwesentlich schneller als mit der Hand. Wo immer es möglich ist, werden die Winterfröste abgewartet, ehe mit dem Rebschnitt begonnen wird.
System überdenken
Nachdem die Kosten in der Traubenproduktion aufgrund von Inflation, Mindestlohnentwicklung, Energiekostensteigerung sowie Material- und Reparaturkostensteigerungen extrem gestiegen sind, gerät das arbeitsintensive Spaliersystem immens unter Druck. Leider sind aufgrund der Topografie nahezu alle Möglichkeiten der Kosteneinsparung ausgelotet. Vor dem Hintergrund dieser
betriebswirtschaftlich angespannten Situation überprüfen sehr viele Betriebe alternative Bewirtschaftungsformen wie Minimalschnitt im Spalier oder Änderungen in der Zeilenbreite (Weitraumanlagen oder Zweidrahtanlagen).
Vor allem die Probleme der neuen Systeme sollten im Sinne eines „zukunftsfähigen” Weinbaus lösungsorientiert angegangen werden, da nur eine erlösorientierte Produktion von Trauben zukunftsfähige Weinbaubetriebe möglich macht.
Bodenuntersuchung
Eine gezielte Düngung ist aus verschiedenen Gründen wichtig. Zum einen werden Boden und Umwelt geschont, zum anderen sind in den meisten Fällen finanzielle Ersparnisse zu erwarten. Grundvoraussetzung für eine sachgemäße Düngung ist eine Bodenuntersuchung. Im Winterhalbjahr besteht weiterhin die Möglichkeit, Bodenproben zu entnehmen und eine Analyse der Grundnährstoffgehalte durchführen zu lassen. Humus-, Magnesium- und Borgehalt können zusätzlich bestimmt werden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse liefern die Grundlage für die Düngung in den Folgejahren. Die Böden sollten mindestens alle fünf Jahre untersucht werden. Phosphor, Kali, Kalk und Magnesium können im zeitigen Frühjahr ausgebracht werden, wobei sich die Düngermenge nach den Untersuchungen richtet. Organische Dünger müssen angerechnet werden. Bitte beachten Sie die Düngeverordnung.
Bis zum 15. Januar 2024 muss die Ernte- und Erzeugungsmeldung bei den zuständigen Stellen abgegeben sein. In Baden ist es das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg und in Württemberg die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg. Neuerdings besteht die Möglichkeit, die Daten online einzugeben. Infos und Anmeldehinweise unter weinbau.lgl-bw.de. Ausgenommen von der Meldeverpflichtung sind:
  • Traubenerzeuger, deren Betriebe weniger als 10 ar Rebfläche umfassen und die keinen Teil der Ernte vermarkten,
  • Traubenerzeuger, die Mitglied einer Genossenschaftskellerei oder Erzeugergemeinschaft sind und ihre gesamte Ernte zur Verarbeitung an diese liefern,
  • Weinerzeuger, deren Weinmenge weniger als zehn Hektoliter beträgt und die diese in keiner Form vermarkten.
Achten Sie bei der Meldung auf den geänderten Umrechnungsschlüssel Trauben zu Wein von 0,78. Entsäuerungsmaßnahmen müssen bis zum 15. März durchgeführt werden.
Förderprogramm 
Handarbeitsweinbau
Es werden reine Handarbeitslagen mit gewissen Lagevoraussetzungen ab einer bestimmten Größe gefördert. Der Vorantrag für das Förderverfahren muss bis zum 31. Dezember 2023 bei den zuständigen Landwirtschaftsämtern vorliegen. Mittlerweile laufen die ersten Verpflichtungszeiträume von fünf Jahren im Förderverfahren HWB aus. Die damals beantragten Flurstücke laufen nicht automatisch weiter, sondern müssen wieder neu beantragt werden – allerdings jetzt über FIONA. Für neue Flächen bleibt die Pflicht zur Stellung eines Antrags auf Teilnahme bestehen.
Nachdem die betriebswirtschaftliche Situation sehr angespannt ist, werden viele Rebflächen zur Verpachtung oder zum Verkauf angeboten. Bei Flächenbewegungen, egal ob Abgabe von Flächen oder Zupacht, gilt: Pflanzgenehmigungen entstehen für den Betrieb, der die Fläche laut Weinbaukartei rodet. Neu zugepachtete Flächen müssen bestockt übernommen werden. Andernfalls müssen Genehmigungen für Neuanpflanzungen beantragt oder bestehende Genehmigungen auf die Zielfläche via Antrag beim zuständigen Regierungspräsidium übertragen werden. Die „Laufzeit” der Pflanzgenehmigungen im erleichterten Verfahren – also wenn dort gepflanzt wird, wo auch gerodet wurde – beträgt nun sechs Jahre ab Erteilung.
Ist dies nicht der Fall, müssen entweder Neuanpflanzungsrechte für die Fläche beantragt werden oder Autorisierungen von Rebrechten des eigenen Betriebes auf die gepachtete Fläche übertragen werden. Zuständig sind hier die Regierungspräsidien. Eine weitere Änderung hat sich auch für die „Laufzeit” der Pflanzrechte im erleichterten Verfahren ergeben. Bei Wiederbepflanzungen auf derselben Parzelle, auf denen die Rodung vorgenommen wurde, gilt nun ein Zeitraum von sechs Jahren ab Erteilung.
Wenn Betriebe einen Gemeinsamen Antrag stellen und Direktzahlungen oder flächen- und tierbezogene Fördermaßnahmen des ländlichen Raums beantragen, müssen auch die Verpflichtungen der Konditionalität eingehalten werden. Gemäß den Vorgaben zum GLÖZ- 6-Standard bedeutet dies, dass die Gassenbegrünung zwischen dem 15. November bis und dem 15. Januar nicht beseitigt werden darf. Ein Begrünungsumbruch, zum Beispiel in Form von Tiefenlockerung, Rigolen oder dem Einsatz einer Spatenmaschine, sind deshalb erst wieder ab dem 16. Januar möglich. Eine bodenschonende Rodung, die die Auflagen nach GLÖZ 6 nicht beeinträchtigt, ist durchgehend möglich.
Leider im Jahr 2023 auch zu finden: Nicht geerntete Trauben wegen Oidiumbefall.