Fachliches | 06. Februar 2020

Weinberge sind mehr als nur Reben

Von Dr. Michael Breuer, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg
Weinberge sind häufig „Hotspots der Biodiversität”. Es gilt, diesen Strukturreichtum zu erhalten und, wenn möglich, zu verbessern. Oft ist dies ohne großen Aufwand möglich.
Böschungen können sehr blütenreich sein und Schmetterlingen und anderen Insekten einen Lebensraum bieten.
Zurzeit wird viel über Biodiversität und den Rückgang der Artenvielfalt diskutiert, vor allem bei den Insekten. Ein Grund hierfür wird in der Verarmung der Landschaft, das heißt von Strukturelementen, gesehen. So leben einige Arten eher in hoher Vegetation, andere brauchen offenen Boden, wieder andere Busch- und Baumstrukturen und vieles mehr.
Weinbergslandschaften gehören per se zu den strukturreichen Lebensräumen und sind alles andere als das, was man sich allgemein unter Monokulturen vorstellt: Selbst in einer Rebanlage sind bereits Unterschiede zwischen dem Unterstockbereich und den Gassen vorhanden. Aufgrund der oftmals alternierenden Wirtschaftsweise gibt es häufig auch zwischen der Nutzung in den einzelnen Rebgassen Unterschiede, etwa in der Höhe und Zusammensetzung der Begrünung.
Eine artenreiche Begrünung bietet Blütenbesuchern wie Hummeln, Wildbienen und Honigbienen reiche Nahrung. Im Unterstockbereich und an Stellen mit weniger üppiger Vegetation haben Pflanzen wie Traubenhyazinthen, Milchstern und die seltenen Wildtulpen einen Lebensraum.
In den Randbereichen summt und brummt es
Eine artenreiche Begrünung bietet Blütenbesuchern Nahrung.
Neben den Reben finden wir häufig extensiv genutzte Randbereiche, die recht unterschiedlich ausgeprägt sein können. Auch hier siedeln sich oftmals blütenreiche Bestände an und daher eine reiche Insektenwelt. Anschließende Böschungen sind häufig ebenfalls sehr wertvolle Lebensräume.
Sind sie stark von der Sonne beschienen, finden wir hier häufig mediterran geprägte Lebensgemeinschaften. Selbst Wespenspinnen und Gottesanbeterinnen fühlen sich hier wohl. Häufig bietet das zusammenhängende Netz von Böschungen auch eine wertvolle Vernetzung in unserer Landschaft und kann daher für die Ausbreitung und als Rückzugsbereich für viele Arten dienen. 
In einigen Gegenden haben wir Terrassenweinberge, die von Trockenmauern durchzogen werden. Trockenmauern geben zusätzlich Felsenbewohnern einen Lebensraum. In dem Lückensystem können Tier- und Pflanzenarten leben, die sonst in unserer Landschaft keine Möglichkeit finden.
Eine Besonderheit stellen besonders im Kaiserstuhl, aber auch in anderen Weinbaubereichen, Löss-Steilwände entlang von Rebanlagen und Wegen dar. Diese bieten zahlreichen Insekten (etwa Wildbienen), aber auch Vögeln wie dem Bienenfresser Nistmöglichkeiten.
Was können wir tun?
Trockenmauern sind Lebensraum für zahlreiche Insekten und Reptilien.
Weinberge sind prägende Landschaftselemente und können in vielen Gegenden als „Hotspots der Biodiversität” bezeichnet werden. Der Erhalt der Landschaft kann aber nur bei weiterer weinbaulicher Nutzung und einer nachhaltigen Wirtschaftsweise gesichert werden. Es gilt, den Strukturreichtum in unseren Weinbergen zu erhalten und, wenn möglich, zu verbessern. Oftmals kann dies auch ohne großen Aufwand und in kleinen Schritten erfolgen:
  • Angepasst an die Boden- und Standortverhältnisse sollte eine möglichst artenreiche und blütenreiche Begrünung eingesät werden.
  • Randbereiche lassen sich ohne großen Aufwand und Ertragseinbuße naturnah gestalten.
  • Auch kleine Busch- und Baumstrukturen können hier und da geduldet werden und sind eine Bereicherung in der Landschaft.
  • Trockenmauern sollten erhalten bleiben. Als Ersatz können auch Steinhaufen dienen, die an einer besonnten Ecke im Weinberg errichtet werden.
Je mehr Strukturen wir im Weinberg zulassen, desto vielfältiger wird sich die Pflanzen- und Tierwelt einstellen. Wir profitieren letztlich auch von dieser Vielfalt: Nützlinge werden gefördert und werden „für uns arbeiten”. Man spricht hier sogar von „Ökosystemdienstleistungen”.  Wann immer es möglich ist, sollten Touristen und Weinkunden auf die Vielfalt im Weinberg aufmerksam gemacht und so für den Weinbau und die Weinbergslandschaft geworben werden.
Informatives Poster
Das  Weinbauinstitut hat unter dem Titel „Strukturreichtum in unseren Weinbergen – der Schlüssel zur Vielfalt in Flora und Fauna” ein Poster mit Bildern zusammengestellt. Bei Bedarf – zum Beispiel für Veranstaltungen –  kann dieses Poster entliehen werden.