Nachrichten | 06. August 2021

Weindialog per Internet

Von Mario Schöneberg
Menschen mit Wissen zu einer bestimmten Thematik treten in den sozialen Netzwerken als sogenannte Influencer auf. Auch in der Weinwelt verbreitet sich seit einiger Zeit diese Art von Einflussnahme auf das Genuss- und Kaufverhalten.
Unter dem Hashtag „sissis_produkttests” probiert Anke Völker auf Instagram inzwischen auch Weine und stellt sie ihren Followern vor.
Die sozialen Medien werden immer wichtiger für die Winzerbetriebe. Oft werden hier Veranstaltungen beworben und neue Produkte vorgestellt. Eine zumindest in Baden noch recht neue Spielart auf diesem Gebiet sind sogenannte Wein-Influencer, die Weine und Sekte online testen und vorstellen.
Influencer tummeln sich unzählige im Internet. Vor allem junge Menschen holen sich bei ihnen Tipps und Ratschläge für den Kauf von Produkten, bekommen Schminktipps, Sportanleitungen oder Reiseempfehlungen. Manchmal richten Jugendliche gar ihr ganzes Leben nach den vermeintlichen Vorbildern im Netz aus. Ganz so weit geht Anke Völker aus Freiburg-Hochdorf nicht. Unter dem Namen „Sissis_Produkttests” stellt sie allerlei nützliche und unnütze Dinge in ihrem Instagram-Account vor. Im Frühjahr hat sie Wein als neues Testfeld für sich entdeckt. Gemeinsam mit ihrem Mann Tilo probiert sie sich schon über viele Jahre durch die internationale Weinlandschaft, beide sind auch regelmäßig Gast bei Weinseminaren, Verkostungen und in der Spitzengastronomie.
Als erfahrene Weinliebhaberin hat Anke Völker in diesem Frühjahr Weintestwochen ausgerufen. Die ersten Weinpakete zum Verkosten kamen aus dem Schwäbischen und aus Österreich, später weitere aus Italien, der Pfalz und anderen deutschen Weinbaugebieten. „Immer mehr Winzer haben unsere Posts gesehen und seitdem kommen die Anfragen für Tests von ganz alleine”, freut sich die Influencerin. Mit dabei sind mittlerweile auch  renommierte badische Weingüter.
Mit knapp 6000 Followern ist der Account von Anke Völker noch keiner der ganz großen. Ab 10.000 Abonnenten könne man für Posts sogar Geld verlangen, ist die allgemeine Überzeugung, bei Prominenten geht die Zahl gar in die Hunderttausende. Doch in der Weinwelt sind Zahlen noch überschaubar. Selbst die bekannte Sommelière Natalie Lumpp kommt aktuell mit ihrem Instagram-Profil nur auf rund 2250 Follower, Marc Almert, 2019 zum besten Sommelier der Welt gekürt, hat weniger als 3400.
Mit Qualität und Service beim Verkosten und hochwertigen Bildern möchte sich Anke Völker von der Masse der Produkttester abheben und so die Reichweite erhöhen. „Ich bin auch ehrlich: Es gibt zwar kaum noch schlechte Weine, doch wenn mir ein süßer Tropfen unterkommt, der eher für einen fröhlichen Mädels-Abend geeignet ist, dann schreibe ich das auch.” Ansonsten ist das subjektive Testergebnis meist eine Melange aus eigenem Geschmack, der Meinung von Mittestern, der offiziellen Produktbeschreibung und, wenn möglich, einem Abgleich mit anderen Quellen.
Badische Kandidaten
Die Badische Weinkönigin Katrin Lang findet es schöner, wenn der Winzer seinen Wein selbst vorstellt.
Von Anke Völker kürzlich verkostet wurden unter anderem Weine vom Weingut Briem aus Ihringen-Wasenweiler. Angestoßen hat den eigenen Instagram-Account Tochter Fabienne Briem, die zurzeit in Heilbronn ein duales Studium im Bereich Weinmarketing absolviert. Sie erklärte vor dem Test, dass Anke Völker die erste Influencerin sei, mit der das Weingut zusammenarbeite. „Ich denke, es ist wichtig, mit den neuen Werbemethoden mitzugehen, um neue Käufergruppen auf unser Weingut aufmerksam zu machen. Auf Instagram sind überwiegend jüngere Leute präsent, deshalb ist es spannend herauszufinden, ob diese auch durch Influencer Interesse an unseren Weinen gewinnen.” Einige Wochen später zieht die 21-Jährige eine gemischte Bilanz. „Zunächst einmal fand ich die Erfahrung mit Instagram-Werbung sehr interessant. Viele Rückmeldungen gab es jedoch leider nicht.” Fabienne Briem glaubt trotzdem an Werbung in sozialen Medien als Chance, „wenn sie gut auf die Zielgruppe abgestimmt ist” und zum Produkt passt.
Eher zurückhaltend gegenüber der Nutzung sozialer Medien für Werbezwecke ist Thomas Langenbacher, Geschäftsführer des Sasbacher Winzerkellers. „Wir haben viele treue Stammkunden und klassische Vertriebswege, auch in den Fachhandel und die Gastronomie. Daher liegt unser Hauptaugenmerk auf klassischer Werbung und intensiver Kundenbetreuung.” Aber auch in Sasbach werde man künftig die sozialen Medien intensiver bespielen.
„Wir sind noch nicht so lange auf Instagram”, erklärt Petra Laible vom Weingut Andreas Laible aus Durbach. „Das läuft bei uns nebenher und eher aus Spaß, zum Beispiel, um mit unserem Weinhändler in New York in Kontakt zu bleiben.” Durch eine von Natalie Lumpp moderierte Online-Weinprobe sei man mit Anke Völker in Kontakt gekommen. Von den dort präsentierten Weintests zeigt sich Petra Laible angetan, kann aber nicht von großer Resonanz berichten. „Wir schicken ab und an mal ein Probepaket an spezielle, von uns ausgesuchte Influencer, sind aber überzeugt, mit einer echten Weinprobe, auch online, machen wir mehr Geschäft.”
„Wir haben gedacht, wir machen da mal mit und probieren das aus”, berichtet auch Paulina Sommerhalter vom Weingut Sommerhalter aus Schliengen-Mauchen von ihren Erfahrungen mit Sissis_Produkttests. „Die Aufmachung hat uns gut gefallen, aber ich glaube, dass uns das nicht so viel gebracht hat. Danach haben sich noch andere Tester gemeldet, doch wir sind nur ein kleines Weingut, wir suchen uns die Tester und Blogger aus, die zu uns passen.” Einer davon ist laut Paulina Sommerhalter der Freiburger Werner Hinze, der sich die Vermarktung von Weinen noch unbekannter Weingüter auf die Fahnen geschrieben hat. Den eigenen Instagram-Account hält man bei Sommerhalters hingegen für sehr wichtig. „Da könnten wir noch mehr machen, zum Beispiel um junge Leute zu erreichen, die dann zu unseren Events kommen”.
„Das Thema Soziale Medien ist durch Corona deutlich stärker in den Vordergrund gerückt”, ist die Erfahrung der amtierenden Badischen Weinkönigin Katrin Lang. „Ich glaube die Winzer haben sich in dieser Zeit  in Sachen Digitalisierung weiterentwickelt.” So gibt es inzwischen viele Videos über den Weg der Traube bis zum Wein. Es sei für viele spannend zu sehen, wie diese Prozesse ablaufen, und die Winzer könnten den Menschen die Wertigkeit ihrer Produkte näher bringen.
„Wein ist ein Genussmittel und den Genuss, beziehungsweise  die besonderen Momente, die die Kunden mit dem Wein erleben, teilen gerade die Jüngeren gerne in den sozialen Medien.  Es sei  eine Art Dialog, erklärt Katrin Lang.
„Für uns als Weinhoheiten ist Social Media ein tolles Mittel, alle Interessierten an unseren Veranstaltungen teilhaben zu lassen und ihnen zu zeigen, was wir alles erleben dürfen. Es ist auch schön zu sehen, wie die Follower auf die Inhalte reagieren, dich dann sogar auf der Straße ansprechen und von den Fotos und Erlebnissen beeindruckt sind.” Besonderes Lob bekommt dabei die vorhergehende Badische Weinkönigin Sina Erdrich. Sie habe die Kanäle in der Pandemie aufgebaut und angefangen, kurze Videos über die verschiedensten Weingüter und Regionen zu produzieren. „Das wollen wir in unserer Amtszeit weiterführen. Ich selber finde es immer kurzweilig und sehr interessant, mir die Fotos und Videos der Weinbaubetriebe anzuschauen. Man kann auch so viel über ihre Philosophie erfahren. Ich weiß aber auch, wie viel Arbeit hinter jedem Posting steckt.”
Von Produkttests durch Influencer ist die Hoheit hingegen nicht so überzeugt. „Ich finde es schöner und authentischer, wenn der Winzer selbst seine Produkte vorstellt.” Wein sei zu individuell, „jeder Kunde hat einen anderen Geschmack und vertraut seinem Lieblingsweingut oder seiner Lieblingsgenossenschaft. Wein muss man erleben, anfassen, probieren und einfach Spaß dran haben – das geht nur analog. Das Schöne ist doch, dass man mit jedem Glas Wein eine Geschichte erzählen kann.”
Aktuell studiert Katrin Lang, die bereits ausgebildete Winzerin ist, in Neustadt an der Weinstraße. Da seien soziale Medien immer mal wieder Thema, „aber wirklich gezielte Inhalte oder eine Art Handbuch für Instagram/Facebook haben wir nicht vermittelt bekommen”.