Weinbauverband | 07. Oktober 2022

Bei der Lese war Feingefühl gefragt

Von Petra Littner
Trotz anhaltender Hitze und großer Trockenheit entwickelten sich die Reben in Baden sehr gut. Die Weinlese startete Ende August aufgrund der Reife rund zwei Wochen früher.
Beim Herbst-Pressegespräch in Waldkirch-Buchholz stellten Weinbauverbandspräsident Rainer Zeller, Staatssekretärin Sabine Kurtz, Verbandsgeschäftsführer Holger Klein und die Badische Weinkönigin Jessica Himmelsbach (von links) eine positive Prognose für Qualität, Mostgewicht und Menge der Trauben, die trotz Trockenheit gut gediehen waren.
Aus landwirtschaftlicher Sicht hat es in diesem Jahr freilich viel zu wenig geregnet und es war zu lange viel zu heiß. Was den Bauern Sorgen bereitete, war für die Winzer jedoch nur in wenigen Ausnahmen ein Problem. Badens Reben verkrafteten die Stressphase verhältnismäßig gut und zeigten sich zu Beginn der Ernte mit sattgrünem Laub, ohne Pilzbefall und mit umgänglichem Säuregehalt. Die Buchholzer Sonnhalde, wo der Präsident des Badischen Weinbauverbands, Rainer Zeller, zusammen mit Verbandsgeschäftsführer Holger Klein und der amtierenden Badischen Weinkönigin Jessica Himmelsbach am 5. September die Medienvertreter über den Weinjahrgang 2022 informierte, erwies sich dabei als geschickt gewählter Ort: In der exponierten Steillage ließen sich die Anliegen des Berufsstandes besonders gut darstellen. „Wir brauchen Ihre Unterstützung”, richtete Zeller seine Forderung an Sabine Kurtz, Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, und Dr. Norbert-Jakob Ferch, Referatsleiter Garten-, Obst- und Weinbau im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Zeller bezog sich auf die nach seinen Worten praxisuntaugliche "nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln" in sensiblen Gebieten. Würde die EU-Kommission das totale Verbot durchsetzen, könnten Bereiche wie der Kaiserstuhl mit großteils flächendeckenden Schutzgebieten nicht mehr bewirtschaftet werden. Dies betreffe Ökobetriebe ebenso wie den konventionellen Weinbau.
Alarmierende Ansage
Rainer Zeller forderte von der Landesregierung Unterstützung für die Weinbaubetriebe ein.
„So wie Brüssel sich das vorstellt, würden wir in Deutschland schlichtweg einen Berufszweig verlieren.” Zeller hielt das Verantwortungsbewusstsein der Winzer für die Umwelt und die Kulturlandschaft entgegen. Mit dem Biodiversitätstärkungsgesetz hätten Landwirtschafts- und Umweltschutzverbände einen akzeptablen Kompromiss ausgehandelt, bei dem man sich bereits auf viele Einschränkungen einlasse. Die Ansage der EU-Kommission bezeichnete Staatssekretärin Sabine Kurtz als alarmierend. Es stehe eine heftige Debatte zum Thema Pflanzenschutz bevor, bei der die Landesregierung sich für die Interessen des Weinbaus einsetzen werde. Zur Stärkung der Biodiversität strebe man die Ausweitung des Bioweinbaus an und habe die Prämiensätze im Agrarumweltprogramm FAKT erhöht: Wer auf Bio umstellt, soll eine einmalige Umstellungsprämie in Höhe von 1450 Euro/ha erhalten (bisher 1275 Euro), die Beibehaltungsprämie beträgt dann 1000 Euro/HA (bisher 750 Euro). Allerdings stünden leider noch keine praxistauglichen Pflanzenschutzmittel-Alternativen zu Kupfer und Kaliumphosphonat zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus im Ökoweinbau zur Verfügung. Im Hinblick auf den Klimawandel mit einhergehenden Starkwetterereignissen riet die Staatssekretärin zum betrieblichen Risikomanagement. Das 2019 bundesweit aufgelegte Pilotprojekt zur Ertragssicherung im Obst- und Weinbau durch Beregnung gegen Frost- und Trockenschäden solle als Förderprogramm verstetigt werden, stellte Kurtz in Aussicht. Des Weiteren verwies sie auf eine Beihilfe aus der EU in Höhe von 63 Euro pro Hektar, die Weinbauern in Bezug auf die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise aufgrund des Ukrainekriegs entlasten soll.
Problemloser Jahrgang
Holger Klein war gefragter Interviewpartner.
Mit einem Rückblick auf die Vegetationsphasen, die in diesem Jahr jeweils rund zwei Wochen früher als im langjährigen Durchschnitt einsetzten, fasste Holger Klein das trocken-heiße Weinjahr 2022 als dennoch entspannt zusammen. Lediglich in Junganlagen oder an Standorten mit leichten, sandigen Böden ohne Bewässerung müssten Ertragseinbußen hingenommen werden. Davon seien vorwiegend Winzer in Nordbaden betroffen. Pilzkrankheiten seien im Jahresverlauf kaum aufgetreten, Laub und Trauben kräftig und vital. Seine vorsichtige Schätzung, dass in Baden ein in der Menge marktkonformer Jahrgang 2022 mit circa 120 Mio. Litern eingebracht würde, konnte Holger Klein Ende September bestätigen. Die Wetterbedingungen hätten den Leseverlauf nicht ausgebremst und zu umgänglichen Alkohol- und Säurewerten beigetragen. Zum Zeitpunkt des Pressetermins war die Traubenernte für Sektgrundwein sowie für Federweißen bereits weitgehend abgeschlossen. Die Hauptlese startete vielerorts am selben Tag und auch die Badische Weinkönigin Jessica Himmelsbach hätte bei ihrem Arbeitgeber, dem Weingut Zotz in Heitersheim, alle Hände voll zu tun gehabt. Die gelernte Winzerin bestätigte die Herausforderungen, die die Winzerinnen und Winzer in diesem Jahr zu bewältigen hatten. Teilweise großer Aufwand bei der Bewässerung habe sich jedoch gelohnt und sowohl die physische Reife als auch die aromatische Ausprägung der Trauben gefördert. „Bei der Lese ist Feingefühl gefragt”, betonte die Hoheit und erklärte, dass bei Trauben mit Sonnenbrand und Trockenschaden sorgfältig selektioniert werden müsse. Generell sei zu empfehlen, in den kühlen Morgenstunden zu ernten, ergänzte Professor Ramon Heidinger, Leiter des Referats Weinmikrobiologie beim Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg. Simon Schüssele, im elterlichen Weingut Franz Xaver in Waldkirch-Buchholz für die Weinbereitung verantwortlich, zeigte sich ebenfalls äußerst zufrieden mit dem Jahrgang 2022. Im Weingut informierten er und seine Mutter Anita Schwehr-Schüssele die Gäste über Besonderheiten der Buchholzer Weinlagen und ihre individuellen Erzeugnisse.