Fachliches | 04. Juni 2016

Mit der Zwei-Stoff-Technik sparen

Von Oswald Walg, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Mit einer Zwei-Stoff-Applikation können im Rebschutz Mittelkosten gesenkt und Umweltbelastungen reduziert werden, da spezifische Wirkstoffe wie Botrytizide, Bioregulatoren oder Insektizide nur an den vorgesehenen Wirkungsort, also in die Traubenzone, gesprüht werden. Mit dieser technischen Ausstattung lassen sich Mitteleinsparungen bis 67 % realisieren.
Es gibt zwei technische Lösungen. Die einfachste und preiswerteste Möglichkeit ist der Anbau eines zweiten Behälters, ausgestattet mit Bedienungsarmatur, Pumpe und
Leitungssystem. Er kann an die Schlepperfront oder ans Heck, an die Deichsel der Nachläuferspritze oder in die Zugmaulhalterung des Schleppers montiert werden, siehe Bilder 1 und 2.
Bild 1: Zwei-Stoff-Gerät an die Anhängung des Nachläufers angebaut.
Eine Elektro- oder Hydraulikpumpe fördert die Brühe zu den zusätzlich am Gestänge des Gebläses montierten Düsen. Für eine Applikation in die Traubenzone genügen in der Regel zwei Düsen je Teilbreite, die auf die Traubenzone ausgerichtet werden. Die Zwei-Stoff-Behälter werden von verschiedenen Herstellern von Pflanzenschutzgeräten in Größen von 100, 150, 200, 300 oder 350 Litern angeboten. In Abhängigkeit von der Ausstattung und der Anbauweise liegt die Nettoinvestition für ein 200-Liter-Gerät bei rund 3300 bis 4000 Euro.
Technisch aufwendiger und damit auch teurer sind Zwei-Stoff-Sprühgeräte mit einem Brühebehälter, der in zwei Tanks aufgeteilt ist. Die nachgeschalteten Gerätebauteile wie Pumpe, Filter, Bedienungsarmatur und Leitungssystem sind in zweifacher Ausfüh-
rung vorhanden, sodass beide Flüssigkeitsphasen getrennt gefördert und unabhängig voneinander dosiert werden können. Mangels Nachfrage wird diese Technik aber nur von sehr wenigen Herstellern angeboten. Bei Wanner liegt der Mehrpreis für dieses System gegenüber dem Grundgerät bei 4500 Euro.
Konzeption der Zwei-Stoff-Applikation
Bei der Ausbringung der Mittel im Zwei-Stoff-Verfahren können zwei unterschiedliche Ausbringtechniken realisiert werden.
 
Bild 2: Zwei-Stoff-Gerät an die Deichsel des Nachläufers montiert
1. Meist wird in der weinbaulichen Praxis von dem Standardgerät, beispielsweise einem Nachläufer, die Grundbrühe (Pero- und Oidiummittel) über die gesamte Laubwand appliziert. Der zweite Behälter enthält somit nur die Zusatzpräparate (Insektizid, Botrytizid oder Bioregulator) für die Traubenzone, siehe Schema. Dazu müssen beide Flüssigkeitsphasen getrennt gefördert und unabhängig voneinander dosiert werden können, was zwei Gerätekreisläufe erforderlich macht. Die Düsen der Zwei-Stoff-Spritze werden unmittelbar neben den vorhandenen Düsen des Gebläses platziert und der Spritzstrahl beider Düsen vereint, siehe Bild 3.
Da die Zielflächen mit der Grundbrühe bereits ausreichend benetzt sind, reicht für die zweite Phase ein kleineres Düsenkaliber aus. Zuviel Brühe in der Traubenzone führt zu höheren Abtropfverlusten. Um eine mit der Standardspritze, beispielsweise einem Nachläufer, gleiche Flächenleistung zu erreichen, muss der Anwender den Brüheausstoß des Zwei-Stoff-Geräts so einstellen, dass er für die gleiche zu behandelnde Fläche ausreicht. Dies kann anhand von Düsentabellen rechnerisch ermittelt werden. Im Folgenden werden dazu einige Beispiele aufgeführt, siehe dazu Tabelle 1.
Beispielsweise sollen dazu folgende Annahmen gelten: Zeilenbreite 2,00 m, Fahren jeder Zeile, Fahrgeschwindigkeit 6,7 km/h, Standardspritze mit 1000 Litern, Zwei-Stoff-Spritze 200 Liter.
Als Düsen für das Standardgerät mit 1000 Litern Fassungsvermögen kommen Injektordüsen mit den Kalibern 015 (grün) oder 02 (gelb) in Frage. Damit kann bei dem unterstellten Druck von 10 bar eine Fläche von 2,05 oder 1,50 ha besprüht werden.
Bei einem Zwei-Stoff-Gerät mit 200 Litern erreicht man die Flächenleistung des Düsenkalibers 015 (grün) von 2,05 ha nur mit der Hohlkegeldüse lila (2,22 ha). Beim Kaliber 02 (gelb) im Standardgerät wird die entsprechende Flächenleistung von 1,5 ha mit der Injektordüse 01 (1,52 ha) und den Hohlkegeldüsen ATR braun (1,65 ha) und lila (2,22 ha) erreicht.
Bei der Wahl der Injektordüse 02 (gelb) ist zu beachten, dass bereits mit dem Standardgerät 675 Liter/ha ausgebracht werden. Bei voller Laubwand beginnen oberhalb von 650 Litern die Abtropfverluste. Durch eine zusätzliche Brüheapplikation in die Traubenzone mit dem Zwei-Stoff-Gerät sind dann größere Abtropfverluste vorprogrammiert. Bei der möglichen Kombination mit der Injektordüse 01 (orange) ist zu beachten, dass diese verstopfungsempfindlich ist. Deshalb wird bei Verwendung dieses Düsenkalibers ein Druckfilter mit 100 M (mesh) empfohlen.
Bei der Wahl der Injektordüse 015 (grün) kann eine entsprechende Flächenleistung des Zwei-Stoff-Geräts nur mit der Hohlkegeldüse lila erzielt werden. Diese Düse besitzt allerdings ein relativ kleines Tropfenspektrum, was stark abdriftgefährdet ist. Da die Düsen aber nur in die Traubenzone applizieren, ist dieser Nachteil hinnehmbar. Diese Kombination erspart auch starke Abtropfverluste.
Was tun, wenn Wasser fehlt?
Bild 3: Zusatzdüsen für die zusätzliche Spritzbrühe in die Traubenzone
Wie die Beispiele in der Tabelle 1 zeigen, kann die Brühemenge des Zwei-Stoff-Behälters ein limitierender Faktor sein. In diesem Fall besteht auch die Möglichkeit, das Klarwasser aus dem Spülwasserbehälter des Standardgeräts in den Zwei-Stoff-Tank umzupumpen. Für Geräte ab 400 Liter ist ein Spülwasservorrat zur Gerätereinigung vorgeschrieben, der mindestens zehn Prozent des Behälterinhaltes oder das Zehnfache der technischen Restmenge betragen muss. In der Praxis verfügen die Spülwasserbehälter meist über ein Fassungsvermögen von 50 bis 100 Litern. Da eine Gerätereinigung erst am Ende einer Pflanzenschutzmaßnahme erfolgt, kann dieser Wasservorrat zwischenzeitlich auch zum Auffüllen des Zwei-Stoff-Behälters genutzt werden. Damit kann die Flächenleistung des Zwei-Stoff-Gerätes vergrößert werden. Mittel, die nachdosiert werden müssen, sollten vorher genau abgewogen werden. Unter keinen Umständen dürfen aber Pflanzenschutzmittel in den Spülwasserbehälter dosiert werden.
 
2. Alternativ kann der Zwei-Stoff-Behälter zusätzlich auch mit der Grundbrühe (Pero- und Oidiummittel) gefüllt werden, siehe Schema. Hier müssen die unteren Düsen am Standardgerät abgeschaltet werden, damit die Grundbrühe nicht doppelt in die Traubenzone kommt. Das Standardgerät besprüht nur die obere Laubwandhälfte, das Zwei-Stoff-Gerät nur die untere. Ist der Zwei-Stoff-Behälter leer, wird Grundbrühe aus dem Standardgerät in den Zwei-Stoff-Behälter umgepumpt und die Zusatzmittel (Botrytizid, Insektizid) werden erneut zudosiert. Auf diese Weise gibt es keine Probleme mit unterschiedlichen Flächenleistungen der beiden Behältnisse und es müssen auch keine kleineren Düsenkaliber eingesetzt werden. Die Flächenleistung wird um die Füllmenge des Zwei-Stoff-Behälters erweitert. Allerdings ist ein häufigeres Umpumpen und Zudosieren der Zusatzmittel erforderlich. Die Zusatzmittel sollten abgewogen mitgeführt werden. Für das Umpumpen aus dem Hauptgerät in das Zwei-Stoff-Gerät kann ein entsprechender Anschluss am Druckfilter installiert werden.
Ökonomische Betrachtung
Bild 4: Zwei-Stoff-Gerät im Zugmaulhalter angebaut
Durch eine Zwei-Stoff-Applikation sind bei einigen Anwendungen deutliche Mittel- und damit auch Kosteneinsparungen möglich. Mit der Anschaffung eines Zwei-Stoff-Geräts entstehen aber zusätzliche Kosten. Deshalb ist eine Rentabilitätsberechnung wichtig. Tabelle 2 zeigt einen Kostenvergleich zwischen einer Botrytisbehandlung bei der Routinespritzung, bei der Zwei-Stoff-Applikation und bei einer gesonderten Behandlung. Bei durchschnittlichen Basiskosten von 35 Euro für ein Botrytizid (Schwankungsbreite 29 bis 40 Euro) ergeben sich bei einer Applikation mit dem vierfachen Basisaufwand über die gesamte Laubwand Kosten in Höhe von 140 Euro. Bei einer Zwei-Stoff-Applikation nur in die Traubenzone lassen sich 60 Prozent dieser Mittelkosten einsparen (vier statt zehn geöffnete Düsen bei der Routinespritzung). Dies ergibt eine Kosteneinsparung von 84 Euro. Dem gegenüber stehen zusätzliche Maschinenkosten für das Zwei-Stoff-Verfahren. Das Rechenbeispiel in Tabelle 2 basiert auf einem 200-Liter-Gerät mit einem Anschaffungspreis von 3500 Euro und einem jährlichen Einsatzumfang von zehn Hektar. Damit errechnen sich feste und variable Maschinenkosten von 40 Euro/ha. Zusätzlich wurden noch 4 Euro/ha für die höheren Rüstzeiten (Anbau, Befüllen, Reinigen) veranschlagt. In der Summe ergeben sich bei der Zwei-Stoff-Applikation Gesamtkosten in Höhe von 100 Euro. Die Einsparung gegenüber der Routinespritzung beträgt demzufolge 40 Euro/ha. Aufgrund der hohen Preise für Botrytizide bringen manche Betriebe diese Mittel auch in einem gesonderten Arbeitsgang aus. Dabei fallen aber zusätzliche Maschinenkosten für Schlepper und Sprühgerät sowie Arbeitskosten an. Im vorliegenden Beispiel werden dafür 127 Euro/ha kalkuliert. Die Einsparung gegenüber der Routinespritzung beträgt nur 13 Euro/ha. Nur für Betriebe mit ausreichend freien Arbeitskapazitäten ist diese Maßnahme überlegenswert.
Die Tabelle 3 zeigt einige Beispiele für monetäre Einsparungen durch eine Zwei-Stoff-Applikation. Eine einmalige Botrytisanwendung bringt durchschnittlich eine Einsparung von 84 Euro/ha. Bei zehn Hektar sind dies bereits 840 Euro/Jahr. Da Betriebe, die regelmäßig Botrytizide einsetzen, häufig zwei Behandlungen durchführen, verdoppelt sich die Einsparung. Kommt noch eine Insektizidbehandlung, beispielsweise gegen den Sauerwurm, hinzu, so können jährlich 216 Euro/ha eingespart werden. Bei zehn Hektar Einsatzumfang summiert sich der Betrag auf 2160 Euro/Jahr. Diese Beispiele zeigen, dass sich für Betriebe, die regelmäßig Botrytizide und/oder Insektizide einsetzen, die Zwei-Stoff-Technik auch schon bei kleineren Betriebsgrößen rechnet. Die Anschaffungskosten in Höhe von rund 3000 bis 4500 Euro amortisieren sich recht schnell.
Zusatznutzen
Ein Zwei-Stoff-Gerät kann oft bei allen Pflanzenschutzmaßnahmen genutzt werden. Der Behälter wird dann nur mit der Grundbrühe gefüllt und appliziert entweder, wie oben beschrieben, die Brühe nur in die Traubenzone und das Standardgerät nur in die obere Laubwand oder über einen Dreiwegehahn wird die Brühe in den Hauptbehälter umgepumpt, sobald dieser leer ist. In beiden Fällen wird die Reichweite um die Füllmenge des Zwei-Stoff-Behälters vergrößert. Des Weiteren ist der Einsatz des Zwei-Stoff-Behälters für die Ausbringung von Herbiziden oder für die AHL-Depotdüngung denkbar.